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AutorenbildDoreen Mehner

Wo Frieden in Beziehungen beginnt

Ich habe mich gefragt, wo denn der Frieden zwischen Mann und Frau oder allgemein in Beziehungen beginnt? Meine Antwort ist: Er beginnt in uns selbst.


Solange ich erwarte, dass mein Gegenüber den ersten Schritt macht, bin ich im Warten und nicht im Handeln. Ob laut oder eher leise, ich fordere etwas, damit die Situation anders wird. Und genau damit vergebe ich eine Chance für meine Entwicklung. Die Chance besteht darin, dass ich mich frage: Was genau darf ich durch diesen Menschen und diese Situation über mich und meine Muster lernen?


Diese Frage konfrontiert mich sehr wahrscheinlich mit einem Schmerz in mir. Und das kann unangenehm sein. Denn womöglich habe ich das Anschauen dieses Schmerzes schon ganz lange vermieden. Und jetzt ist da dieser nahe Mensch, der mich doch liebt und das in mir auslöst. Ich bin verwirrt.


Es gibt eine Grundregel in Partnerbeziehungen: Früher oder später werden wir unvermeidlich mit unseren Wunden konfrontiert. Das ist sozusagen auch der tiefere Sinn dieser Verbindungen, uns zu "ent-wickeln".

Grundsätzlich können wir folgende Stufen der Beziehung unterscheiden:


  1. Beziehung zur Bedürfnisbefriedigung

Auf dieser Stufe sind die Partner "füreinander da", im Sinne von: Ich brauche A von dir. Wenn du mir das gibst, bekommst du auch regelmäßig B von mir. Im Klartext ist es eine Tauschbeziehung, vielleicht am Anfang noch ummantelt durch Romantik. Sobald einer der Partner aus dem Tauschhandel aussteigen möchte, wird der andere sehr wahrscheinlich irritiert bis verärgert sein, denn es hat doch bisher immer wunderbar funktioniert. Was jedoch verhindert wird, ist ein wirkliches Lernen vom Anderen. Was der Andere besonders gut kann, ist ein Beispiel für mein eigenes Entwicklungspotential. Wenn ich da nicht hinschauen mag, verhalte ich mich im Grunde (in den Bereichen des Tauschhandels) wie ein Kind, das sich gerne versorgen lässt. Ein wirkliches Auf-Augenhöhe-miteinander-umgehen kann hier nicht stattfinden, weil es eben diese Abhängigkeit des Tausches gibt. Das kann Finanzen betreffen, Kochen, Kuscheln, Gäste haben, nach Außen immer den "Es-ist-alles-in-Butter-Schein" wahren.


  1. Beziehung zur gegenseitigen Entwicklung

Wunden sind offen, dürfen da sein, ich mache den Anderen nicht mehr für meinen Schmerz verantwortlich. Mein Gegenüber ist mein Spiegel, an dem ich wachsen kann, wenn ich mich dafür entscheide. Und ja, Wachstum ist oft mit Wachstumsschmerzen verbunden. Es gibt nur einen Weg: mitten hindurch. Der Partner bleibt hier ja durchaus da, er "rettet" mich aber nicht. Denn ein Retter benötigt ein Gegenüber, das sich zum Opfer (der Umstände) macht. Den Schmerz des Anderen zu sehen und nicht einzugreifen oder nicht wegzugehen, ist ein großer Lernprozess, denn aus unseren Herkunftsfamilien kennen nur wenige von uns gesunde Muster. Gerade wenn wir anfangen diesen Weg zu gehen, kann es sehr hilfreich sein, sich in Gruppen Unterstützung zu holen. Denn etwas Neues zu lernen und immer wieder zu üben, wird nicht ohne Rückfälle möglich sein. Wenn wir sehen, dass es anderen Paaren genauso geht, diese auch oft "hinfallen", sich dann aber fürs Weitermachen entscheiden, macht uns das Mut.


Auf dieser Stufe wird auch entschieden, den alten Weg des "Ich sehe die Trennung als einzigen Weg, wenn es schwierig wird" nicht mehr zu wählen. Es ist keine Einsicht aus dem Kopf, dass wir unsere Wunden in die nächste Beziehung nur mitnehmen würden, sondern es kommt darauf an, dass wirklich zu fühlen. Dann kann ich zunehmend in einem Zustand des wachen Staunens bleiben und sehen, welche Entwicklungsaufgabe als Nächstes auf mich wartet.


  1. Beziehung als Friedensarbeit

Ich kann gut zusammen sein, ich kann gut alleine sein.

Das was sich gerade zeigt, darf da sein. Ich schaue es mir an. Meine innere Ruhe wird dadurch nicht ins Wanken gebracht. Ich weiß nicht nur, sondern ich fühle, dass all das den tieferen Sinn hat, mich näher zu mir selbst zu bringen. Näher zu meinem Reifen, meiner Aufgabe, meinem All-das-Akzeptieren, was eben ist. All meine Teile zu zeigen, auch die vermeintlich "schwachen", meine Angst, meine Scham, was auch immer gerade da ist. Indem ich all das zulasse, respektiere ich alle Anteile in mir, nicht nur diejenigen, die ich gerne Sonntags zeigen würde.

Ich realisiere, dass es meine Wahl ist, in einer Beziehung zu sein, meine bewusste Entscheidung und kein Muss. Und damit kann sich Vieles so viel leichter anfühlen. Wie Neale Donald Walsh es ausdrückt: «Das Paradoxon menschlicher Beziehungen ist es, dass ihr einen anderen Menschen dazu braucht, um vollständig erfahren zu können, wer ihr seid. Es spielt keine Rolle, wie der andere sich verhält. Es spielt nur eine Rolle, wer du in Bezug auf das Verhalten des anderen bist. Du erfährst dein Selbst in Beziehung.»


Mir ist bewusst, dass die allermeisten Menschen von Stufe 3 noch ein gutes Stück entfernt sind und unser gesellschaftliches Erbe ganz stark von Stufe 1 geprägt ist. Ich finde es jedoch sehr hilfreich zu wissen, wohin die Reise geht. Es gibt mir eine Orientierung, und zwar vor allem in Zeiten, die ich als schwierig empfinde, und wo der alte Wunsch durchdrückt, der andere möge sich angepasster an meine Bedürfnisse verhalten.

In unserem Seminar "Wilder Frieden zwischen Mann und Frau" werden wir viel dazu üben, wie du dich gerade selbst spüren - oder eben nur bedingt spüren - kannst. Dann schauen wir hin, wie es dir mit deinen nahen Beziehungen geht und wo hier – ein bisher vielleicht ungenutztes – Potential liegt. Um dann ein kraftvolles Ritual zu praktizieren, nämlich nach dem Erkennen deiner Waffen in Beziehungen, diese Waffen niederzulegen. Vielleicht fragst du dich, wie es sich ohne Waffen anfühlen wird? Meine Erfahrung ist, dass es sich nicht schutzlos, sondern vielmehr freier anfühlt. Und du magst der Erfahrung wieder einmal näherkommen, dass wir das, was wir freiwillig tun, in höchstem Maße aus Liebe tun.


Wir freuen uns sehr auf diese wunderbare Arbeit im sicheren und geschützten Rahmen.

Text: Michael Sommer


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